Bärndütsch
Dialäkt: Bärndütsch |
Bärndütsch isch d Sprach, wo men im Bärner Mittuland, im Fryburger Seeland (Murtebiet) u im Soleturner Buechibärg redt.
Merkmau
[ändere | Quälltäxt bearbeite]Aus tüpischi Merkmau vom Bärndütsche gäute d «Vokalisierig» vom l vor Konsonante u am Wortändi (z. B. i de Wörter aut 'alt', aui 'alli', Gfüeu 'Gfüel'), el (z. B. i de Wörter Esu 'Esel'). D Vokalisierig findet nid statt, we uf ds l e Vokau chunnt.
D «Velarisierig» vom nd (z. B. i de Wörter Ching 'Chind', angers 'anders'). Nume ds Patrizier-Bärndütsch kennt die beide tüpische Merkmau nid. Es wird nümme hüüfig gredt, isch aber i de Romän vom von Tavel erhaute.
Öppis, wo o uffaut, isch, dass im Bärndütsche, im Gägesatz zu viune angere schwyzer Dialäkte, die 2. Person Plural als Höflechkeitsform prucht, wird. So seit me z. B. Dir für Sie und Grüessech. Abr o i angeren alemannische Dialäkt git’s ähnlechi Gruessformle, byspiuswys im Schwäbische: Griass ( Aich ) Gott. O i den alemannische Gebiet vo Öschtrych seit me: Grüessech Gott. Und au s züritütsch Grüezi isch no es Relikt us der Zyt, wo me au z Züri gihrzt het; grüezi isch nämli e Zämesetzig us „[Gott] grüez i“, aso „Gott grüsse Euch“.
vorne | zentral | hinde | ||
---|---|---|---|---|
ungrundet | grundet | |||
gschlosse | i | y | u | |
haub gschlosse | ɪ̞ | ʏ̞ | ʊ̞ | |
mittel | ə | |||
haub offe | ɛ̝ | œ̝ | ɔ̝ | |
offe | æ̞ | a |
Bärndütsch het es vierstuuffigs Vokausystem (nid wi Standarddütsch, wo nes dreistuuffigs het). Jede Vokau bis ufe Schwa cha entweder läng sy oder churz, u zwar genau i der glyche Vokauqualität (nid wi im Standarddütsch, wo di länge Vokale bis ufen /a:/ viu gschlossniger sy aus di churze). Die zuesätzlechi Stueffe im bärndütsche Vokausystem isch d Ungerscheidig vo zwo verschidnige Qualitäte vo i, ü und u. Bispiu:
- Rytter [ritːr] (uf emne Ross) vs. Ritter [rɪtːr] (us em Mittuauter)
- Rys [riːs] (Reis) vs. Ris [rɪːs] (öpper Grosses)
- Hüt [hytː] (Plurau vo Hut 'Haut') vs. hüt [hʏtː] (der gägewärtig Tag)
- tüürer [tyːrər] ('teuerer') vs. Türe [tʏːrə] (zum ine u use ga)
- Schut [ʃutː] (uf ne Schutbauwe) vs. Schutt [ʃʊtː] (ufem Bou)
- Bruuch [bruːx] ('Brauch') vs. Bruch [brʊːx] (öppis wo broche isch)
D Qualität vo de Vokale e, ö, o isch offniger aus die vo de länge Vokale /eː, øː, oː/ ir Standardsprach, aber gschlossniger aus die vo de churze Vokale /e, ø, o/ ir Standardsprach.
Rächt tipisch für ds Bärndütschen isch, das es viumaau churzi Vokale het, wo angeri Dialäkte längi hei, z. B. Schwyz, lut, wyt. Wi i de meiste hochalemannische Dialäkt sy o im Bärndütsche di churze Vokalen ir offnige Tonsilbe nid ’dehnt worde, z. B. rede, Grabe, Höli, im Gägesatz zur Dehnig vo de churze Vokale i de Eisilbler, z. B. Reed, Graab, hohl.
Tüpisch für ds Bärndütschen isch o, das ds ei würklech wi nes [ei] gseit wird u ds öi wi nes [øi].
Die Variante vom Bärndütsche, wo der l vokalisiere (di meischte), hei e sehr e grossi Viufaut a Diftonge. Ungwöhnlech isch, das söttigi Variante vom Bärndütsche längi u churzi Diftongen ungerscheide (z. B. Stau 'Stall' vs. Staau 'Stahl' oder Wäut 'Wält' vs. wääut 'wählt'), u das si sogar Triftonge hei (z. B. Gfüeu (Gefühle), Schueu (Schule)). Es git ou Triftonge, wo nid dür d l-Vokalisierig entstöh, z. B. Müej (Mühe).
Bilabial | Labiodental | Alveolar | Postalveolar | Palatal | Velar | Uvular | Glottal | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Plosiv | p – b̥ | t – d̥ | k – ɡ̊ | |||||
Affrikat | p͡f | t͡s | t͡ʃ | k͡x | ||||
Nasal | m | n | ŋ | |||||
Frikativ | f – v̥ | s – z̥ | ʃ – ʒ̊ | x – ɣ̊ | h | |||
Approximant | w1 | ʋ | j | |||||
Rhotisch | r | ʀ2 | ||||||
Lateral | l |
Wi i angerne Dialäkte ungerscheidet ds Bärndütsche längi u churzi Konsonante (bzw. Fortis u Lenis). Derby isch d Konsonantelengi unabhängig vo der Vokaulengi; es cha auso e churze Konsonant nach emne churze Vokau cho (use, yne, obe) oder e länge Konsonant nach emne länge Vokau (bysse, schlaaffe).
Pragmatik
[ändere | Quälltäxt bearbeite]Ds Bärndütsche zeichnet sech derdür uus, das d Höflechkeitsform nid di dritti Person Plurau isch, sondern di zwöiti (wi im Französischen oder bis i ds 18te Jahrhundert ou im Standarddütsche). Drum heissts uf Bärndütsch ou grüessech.
Wortschatz
[ändere | Quälltäxt bearbeite]Tüpisch bärndütsch sy Wörter wi äuwä/äuä 'allwäg', geng 'immer', Modi 'Meitschi', Gieu 'Bueb', Hudu 'Lumpä' und Hegu 'Mässer'.
Deklinierig vo de Zahle zwöi u drü
[ändere | Quälltäxt bearbeite]Wi i angerne alemannische Djaläkte wärde o im Bärndütsche d Zahle zwöi u drü böigt bzw. dekliniert. Die Differänzierig ghört men aber bsunders i den Agglomeratione geng wi weniger.
- Ds zwöi wird im männleche Geenus zwe, im wybleche zwo u im sächleche zwöi. Es heisst auso „zwe Here,“ „zwo Froue“, „zwöi Ching“.
- Ds drü wird männlech u wyblech zu drei u sächlech zu drü, auso „drei Here“, „drei Froue“, „drü Ching“.
Konjunktiv
[ändere | Quälltäxt bearbeite]Im Bärndütsche wird der Konjunktiv sehr hüüfig ygsetzt. Ir Umgangsschprach seit me ender „Chäm öpper no eis cho näh?“ aus „Chunnt öpper no eis cho nä?“. U we di einte chäme, de chieme vilech o di angere. Es wunderschöns Byschpiu fingt me im Liedguet vom Peter Räber, won er singt: „I frùs grüeni Banane“.
Der Konjunktiv vom Präteritum wird im modärne Bärndütsch aber ou viu umschribe: „Täät öpper no eis cho näh?“
Zytforme
[ändere | Quälltäxt bearbeite]Wie in aune alemannische Dialäkt gits o im Bärndütsche kes Präteritum. Wird im Dütsche ds Präteritum bruucht („Wir gingen“), so wird im Bärndütsche äs Perfekt bruucht („Mir sy gange“). Ohni Präteritum gits fouglech ou keis Plusquamperfekt. D Vorvergangeheitsform wird drum us zwöi Partizip biudet: „Wo ds Telephon glütet hett, bini scho gange gsy“ (Doppelperfekt).
Variante
[ändere | Quälltäxt bearbeite]I de grösere Stedt hets früecher verschidnigi Dialäkte ggä, wo de verschidnige soziale Schichte hei entsproche (Oberschicht – Patrizier-Bärndütsch, Mittelschicht – Stadtbärndütsch, Ungerschicht – Mattenänglisch). Dür d Bevöukerigsexplosion i de Stedt sy aber die Ungerschide verschwunde. Derfür sy dür d Ywanderig nöji Sprachvariante entstande (z. B. Bärndütsch vo Albaner, vo Jugoslawe, vo Bosnier oder vo Serbe usw.), wo i de Quartier mit höchem Usländeraateil z. T. zur augemeine Jugetsprach sy worde.
Uf em Land chöi Autygsässni a der Sprach genau erkenne, öb öpper us irem Dorf oder us em Nachberdorf chunt. Dür di gröseri Mobilität wärde di verschidnige Variante vom Bärndütsche geng ähnlecher, bsungers i de Stedt u den Agglomeratione.
Im Seeland und im Oberaargou wird ds längen /aː/ grundet (jo, Stross vs. ja, Strass), d Fortis am Wortaafang lenisiert (i ha dänkt vs. i ha ddänkt) u me seit wüu, Töu statt wil, Teil.
Südlech vor Stadt Bärn seit me giit [ɡ̊ɪːt], früüt [frʏːt], luuft [lʊːft] statt geit, fröit, louft. Dür d Nechi zur Stadt sy die Eigeheiten aber am Verschwinde. Hingäge vo Thun id Täler yne loufts disewäg. Die Eigeheite wärde dütlicher u stercher. Drus wachst a ganzi Gruppe vo «Bärner-Oberland»-Dialäkte.
Öschtlech vo Bärn erschtreckt sech de no z Ämmitau. Anno 1191 het dr damalig Schlossheer vo Burdlef d Stadt Bärn gründet. Ke Wunder red me im ungere Ämmitau fasch wie rund um Bärn ume. Vo Burdlef richtig Langnou u Huttu wärde aber vili Wörter angersch uusgsproche.
Nochberdialäkt u -sprache
[ändere | Quälltäxt bearbeite]Gäge Süde geit ds Bärndütsch i d Dialäkte vom Bärner Oberland über, gäge Oschte i ds Luzärnische, gäge Nordoschte i ds Soledurnische u ds Aargouische. Im Weschte gränzt ds seislerdütsche Sprachgebiet a ds bärndütsche, im Nordweschte ds Wäutsche reschp. früecher a di frankoprovenzalische Mundarte.
Literatur u Rächtschrybig
[ändere | Quälltäxt bearbeite]E früeche Mundartautor isch der Gottlieb Jakob Kuhn gsi.
Di erschti Blüete vor bärndütsche Literatur isch i der erschte Hälfti vom 20. Jahrhundert gsy. Schrifsteuwer us dere Zyt sy öppe der Emil Balmer, der Simon Gfeller, der Otto vo Greyerz, der Kari Grunder, d Maria Lauber, der Carl Albert Loosli u der Ruedolf vo Tavel gsy.
Die Schriftsteuwer hei e Rächtschryb-Tradition begründet, wo sech zum Teu a eutere schwyzerische Traditione u zum Teu am Schriftdütschen orientiert. Die Schrybig wird bis hüt vo viune Lüt bruucht, wo Bärndütsch schrybe. I däm Punkt ungerscheidet sech ds Bärndütsche vo angerne Regione vor Schwyz, wo sech mit der Schwyzertütsche Dialäktschrift vom Eugen Dieth e jüngeri Rächtschryb-Tradition het verbreitet, e Schrybig, wo lutnäächer isch. Hüt git’s aber o Tendänze, wo i dene beide Rächtschrybige nid z finde sy, bispilswys d Schrybig vom unbetonten e als ä (z. B. ä Taschälampä, machä).
Es git es bärndütsches Wörterbuech, uf der Grundlag vor Sammlig vom Otto vo Greyerz vo der Ruth Bietenhard zämegstellt, e bärndütschi Gsammtgrammatik vom Werner Marti u e bärndütschi Syntax von Werner Hodler. D Odysse isch vom Albrecht Meyer i ds Bärndütschen übersetzt worde u ds Nöie Teschtamänt vo de Ruth u vom Hans Bietenhard.
Der Mani Matter het ds Chanson is Bärndütsch bbracht. Syni geniale Tegschte hei bis hüt e grosse Yfluss uf di bärndütschi Musigkultur. Der Mundartrock isch vom Polo Hofer i ds Bärndütsche ygfüert worde (oder ds Bärndütsch i d Rockmusig) u der Blues vom Endo Anaconda (Stiller Has). Als Mundartsänger isch dr Christoph Trummer vo Frutige bekannt.
Viu bärndütschi Outore hei d Lyrik pflegt. Zu de grossartigschte bärndütsche Lyriker ghöre der Kurt Marti u der Mani Matter. Em Pedro Lenz syni träfe Churzgschichte sy en Art modärnschti Lyrik.
Es git schon es Wyli diversi Bärner Hip Hopper, zum Bischpiu der Kutti MC, d Chlyklass (es Kollektiv us Wurzel 5, PVP mit Greis, Thomes & Baze) und dr HM-Clan.
Ou Wäutliteratur isch i ds Bärndütsche übersetzt worde. En Uswaau vom Aute Teschtamänt u ds ganze Nöie Teschtamänt hei d Ruth u dr Hans Bietenhard übertreit, dr Albert Meyer het d Odyssee u dr Walter Gfeller d Ilias u d Aeneis übertreit, dr Dominik Meli het vom Dante Alighieri synere Göttleche Komödie d Höll, dr Lüterigsbärg u ds Paradys übersetzt, u der Lorenz Paul het das mit dem Antoine de Saint-Exupéry sym Chlyne Prinz gmacht.
Über ds Bärndütsche
[ändere | Quälltäxt bearbeite]- Heinrich Baumgartner: Die Mundarten des Berner Seelandes. Huber, Frauenfeld 1922 (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik XIV).
- Heinrich Baumgartner: Stadtmundart. Stadt- und Landmundart. Beiträge zur bernischen Mundartgeographie. Lang, Bern 1940 (Schriften der Literarischen Gesellschaft Bern. Neue Folge der Neujahrsblätter. III).
- Walter Bieri: Läbigs Bärndütsch. E Sammlig vo bärndütsche Wörtere u Redesarte. Haupt, Bern 1958.
- Otto von Greyerz, Ruth Bietenhard: Berndeutsches Wörterbuch für die heutige Mundart zwischen Burgdorf, Lyss und Thun. Francke, Bern 2008, 9. Ufl., ISBN 3-305-00255-7.
- Werner Hodler: Beiträge zur Wortbildung und Wortbedeutung im Berndeutschen. Francke, Bern 1915; Nachdruck Kraus, Nendeln/Liechtenstein 1970.
- Werner Hodler: Berndeutsche Syntax. Francke, Bern 1969.
- Rudolf Hotzenköcherle u. a.: Sprachatlas der deutschen Schweiz. Bänd I–VIII Francke, Bern und Basel 1962–1997.
- Rudolf Hotzenköcherle: Die Sprachlandschaft Bern. I: Rudolf Hotzenköcherle: Die Sprachlandschaften der deutschen Schweiz. Ug. vom Niklaus Bigler u em Robert Schläpfer unger Mitarbet vom Rolf Börlin. Aarau / Frankfurt a. M./Salzburg 1984 (Reihe Sprachlandschaft 1), S. 193–225.
- R[udolf] E. Keller: Schwyzertütsch: Bärndütsch. I: German Dialects. Phonology & Morphology, with selected texts. Manchester 1961, S. 87–115.
- Werner Marti: Bärndütschi Schrybwys. Ein Wegweiser zum Aufschreiben in berndeutscher Sprache. Francke, Bern 1985, 2. Ufl., ISBN 3-305-00074-0.
- Werner Marti: Berndeutsch-Grammatik für die heutige Mundart zwischen Thun und Jura. Francke, Bern 1985, ISBN 3-305-00073-2.
- Roland Ris: Die berndeutsche Mundartliteratur. In: Illustrierte Berner Enzyklopädie. Band 4: Kunst und Kultur im Kanton Bern. Wabern-Bern 1987, S. 150–163.
- Roland Ris: Bibliographie der berndeutschen Mundartliteratur. Selbständig erschienene, rein oder mehrheitlich berndeutsche Publikationen von den Anfängen bis und mit Erscheinungsjahr 1987. Emmentaler Druck, Langnau 1989, ISBN 3-85654-901-3.
- Beat Siebenhaar, Fredy Stäheli: Stadtberndeutsch. Sprachporträts aus der Stadt Bern. Licorne, Murten 2000 (Schweizer Dialekte in Text und Ton 5.1), S. 7–32.
- Beat Siebenhaar: Sprachliche Varietäten in der Stadt Bern und was die Sprecher davon halten. I: Germanistik in der Schweiz. Online-Zeitschrift der Schweizerischen Akademischen Gesellschaft für Germanistik 1/2002, S. 5–17 (PDF).
- Beat Siebenhaar: Sprachwandel und Sprachgeographie – der Einfluss der Stadt Bern auf die Region. I: Thomas Krefeld (Hrsg.): Sprachen und Sprechen im städtischen Raum. Peter Lang, Frankfurt a. M. 2008 (Spazi comunicativi – kommunikative Räume 2), S. 173–195 (PDF).
- Paul Zinsli: Berndeutsche Mundart. Zur räumlichen Gliederung des Berndeutschen. I: Berner Staatsbuch. Behörden, Geschichte, Kultur und Volkswirtschaft des Kantons Bern und seiner 30 Amtsbezirke. 2., erwytereti Uusgaab. Berner Tagblatt, Bern 1957, S. 93–114.
Lueg o
[ändere | Quälltäxt bearbeite]Link
[ändere | Quälltäxt bearbeite]- es Bärndütschlexikon mit mehrere tuusig Wörter
- Höörprooben us der tütsche Schwyz – au us em Bäärnpiet
- Sprachliche Varietäten in der Stadt Bern und was die Sprecher davon halten
- Beat Siebenhaar, Fredy Stäheli: Stadtberndeutsch – Sprachporträts aus der Stadt Bern
- Edi Muster: My Bärndütsch-Syte (edimuster.ch)
- Bärndütschi Lieder und Hörspiel-Serie (rolandzoss.com)
- ds Chochichästli Orakel (from.ch)
- Dante Alighieri: Di Göttlechi Komödie. D Höll – Der Lüterigsbärg – Ds Paradys. Bärndütsch. 2021 (academia.edu)