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Diskussion:Entrundung

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Schwäbisch-alemannische Entrundung oder hochdeutsche Einrundung?

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Ich frage mich, ob das nicht die Germanistenfalle ist, in die viele schwäbische und alemannische Mundartliebhaber fallen. Denn von Entrundung kann man zumindest im Schwäbischen nun wirklich nicht sprechen. Die schwäbische Sprache hat lediglich das althochdeutsche Umlautsystem unverändert beibehalten. Im Althochdeutschen war der Umlaut zu o nie das ö, sondern immer das e, und der Umlaut für u nie das ü, sondern immer das i.

Man muss vielmehr bei Hochdeutsch von einer Einrundung sprechen, weil dort erst das ö als Umlaut zu o eingeführt worden ist, und das ü als Umlaut zu u. Das Hochdeutsche ist es, das die Spannung von o zu e und von u zu i nicht ausgehalten hat, und deshalb die beiden Umlaute näher zum Stammlaut eingerundet hat.

Im Blick auf die Umlaute hat sprachgeschichtlich gesehen eindeutig das Schwäbische Recht und nicht das Neuhochdeutsche. Es hat keine schwäbische Entrundung stattgefunden, sondern eine hochdeutsche Einrundung! --H. Sellmoene (Diskussion) 23:45, 26. Jan. 2016 (MEZ)[Antwort gee]

Bisch du sicher, dass es im Althochdütsche in Wörter mit Umluut en /e/ ùn /i/ gee het? Vo Althochdütsch sluzzil chùnt mer nämli prima ùff > slüzzil > Schlüssel > Schlissel, ùn vo scōni ùff > scöni > schön > schen. Nooch dynrer Theori miesste die Wörter im Althochdütsche deno aber slizzil ùn sceni gheisse ha. --Terfili (Diskussion) 00:34, 27. Jan. 2016 (MEZ)[Antwort gee]
Also, von der Theorie, dass die Umlaute von o und u im Althochdeutschen bereits e und i gewesen seien, davon habe ich noch nie gehört. Wie kommst Du darauf, H. Sellmoene? --Holder (Diskussion) 04:55, 27. Jan. 2016 (MEZ)[Antwort gee]


Hallo Terfili, hallo Holder,

ich habe die entsprechenden Artikel in der deutschen Wikipedia zu Althochdeutsch und Mittelhochdeutsch noch einmal gründlich durchgelesen. Stimmt. Das war falsch. Wo ich das herhatte, weiß ich im Nachhinein nicht mehr. Zu slüzzelin: Vom Gymnasium ist mir das durchaus bekannt - aber meine rein germanistisch ausgebildeten Lehrer konnten damit nichts anfangen.

Aber nun weiter nachgefragt:

Wie ist das nun mit dem schwäbischen Ofa/Efa (dt. Ofen/Öfen), oder mit Fuas/Fias (Fuß/Füße) oder mit "laang/leengor" (lang/länger) oder mit graos/graesor (groß/größer) usw.? Entrundung oder nicht? Und wann ist diese dann nachweislich eingetreten?

Ich habe Vorfahren mit dem Familiennamen "Nödinger". Der erste Vorfahr dieses Namens kam im Dreißigjährigen Krieg nach Württemberg, höchstwahrscheinlich aus Bern (dort gab es "Nethiger"). Dieser Name wurde in den württembergischen Kirchenbüchern wie damals üblich "nach Gehör" geschrieben, also "Nedinger"! Erst um 1850 kam das auf, Nödinger zu schreiben, was als feiner empfunden wurde - obwohl es lautlich nicht korrekt war und ist. Meine Mutter sagte zu ihrer Verwandtschaft immer "Nedinger".

Und wie ist das mit der schwäbischen Eindunkelung von u und i zu o bzw. e vor n, m, ng? Diese scheint mir auch uralt zu sein, jedenfalls mindestens ein halbes Jahrtausend alt. Ebenso die Eindunkelung von "ai" zu "åe" (d. h. im Grunde eine doppelte Eindunkelung, sowohl des ersten wie zugleich des zweiten Vokals). Einer der Knackpunkte: Die Eindunkelung zu "i be/bee" (alemannisch "i bi/bii" muss zu einem Zeitpunkt geschehen sein, bevor das "n" am Ende abgefallen war. Wann fiel es ab? Die Eindunkelungen sind im Schwäbischen dermaßen massiv vorhanden, dass man fast von einer (kleinräumigen und dritten) schwäbischen Lautverschiebung sprechen müsste, in Ergänzung zu den natürlich unvergleichlich großräumigeren ersten und zweiten Lautverschiebungen. Aber über die Eindunkelungen gibt es m. W. keinerlei germanistische Studien.

Und wie ist es mit den schwäbischen Wörtern wie Gnui (Knie), dui (dies, sg. fem.), sui (sie, sg. fem.) und nui (neu) usw.? Diese Wörter sind alle durch Metathese der beiden Vokale aus den althocheutschen Wörtern Gniu, diu, siu, niu usw. entstanden. Diese Metathese kann m. E. nicht nach der mittelhochdeutschen Abschwächung der althochdeutschen Vokalendungen entstanden sein, sondern muss logischerweise vorher im Schwäbischen stattgefunden haben, direkt aus dem Althochdeutschen kommend. Denn im Mittelhochdeutschen hieß es wohl schon um 1150 "Knie" und "sie" usw. - und deshalb kann diese Metathese logischerweise nur vorher stattgefunden haben.

Ich versuche nur, das Phänomen der völlig anderen schwäbischen Lautgebung irgendwie auf die Reihe zu kriegen. Und das ergibt Fragen über Fragen. Ich weiß, ich habe viel zu viel geschreiben. Aber weiß da einer von euch beiden irgendwie Bescheid und kann mir weiterhelfen? --H. Sellmoene (Diskussion) 19:25, 31. Jan. 2016 (MEZ).[Antwort gee]

P.S. Ich habe in die deutschen Wikipedia vor kurzem einen neuen Artikel "Schwäbische Grammatik" eingestellt, den ich aus dem Artikel "Schwäbischer Dialekt" heraus ausgelagert habe. Könnte den jemand sichten? (Der Abschnitt "Grammatik" im Artikel "Schwäbischer Dialekt" stammte ohnehin fast ganz von mir. Den Unterabschnitt "Klitisierung" hat jemand anderes hineingeschrieben. Seine Beobachtungen sind gut zutreffend, nur etwas umständlich beschrieben.

De Holder kennt sich bi dänne Sache denk besser uss als i. Nùmme e paar Sache: Füße > Fias isch au e Entrùndig. In viilene Schwyzer Dialäkt isch es jo Füess. In mym Dialäkt isch nùmme des üe entrùndet, aber di andere ö ùn ü sin erhalte. Ùn dass im Standarddütsche mangi Wörter, wo ursprüngli gar kei ü oder ö gha hen (wie in däm Familiename), deno mit ü oder ö gschrybe worde sin, des stimmt. Die Schryber hen halt nit bi jedem Wort gwüsst, ob es jetz mit eme ü/ö oder i/e söll gschrybe werde. In däm Dütsch, wo si gschwätzt hen, het es jo schliessli nùmme i ùn e gee! E paar Wörter hen sich au im Hochdütsche in de entrùndete Form duuregsetzt, zum Byspil "Kissen" (in mym Dialäkt isch des "Chǜssy", althochdütsch "chussîn", mittelhochdütsch "küssîn"). Wänn du älteri Gschichte oder Gedicht aaluegsch, no gseesch übrigens, dass sich dörte Wörter mit i/ü oder e/ö reime (sogar bim Schiller). Die Diskussion ùff de ditsche (des isch eis vo wenige Wörter in mym Dialäkt, wo au s ü entrundet isch) Wikipedia isch intressant. Oder bim Schellenursli: "Gradauf wie eine Bergesspitze, steht auf dem Kopf die Zipfelmütze". Es isch halt no nit so lang häre, wommer alli ü, ö, ùn eu/äu au im Hochdütsche als i, ü, ùn ai ussgsproche het! --Terfili (Diskussion) 03:57, 1. Feb. 2016 (MEZ)[Antwort gee]
Hallo H. Sellmoene, ein paar dieser Fragen habe ich mal in diesem Artikel angerissen. In der Tat sind viele dieser von Dir angesprochenen Phänomene recht alt, oft sind sie schon im 13. oder 14. Jh. nachweisbar.
Die Entrundung ist seit dem 14. Jh. nachgewiesen, die Entwicklung von mhd. ei zu oa/oi (stein > Schdoa/Schdoi o.ä.) ebenfalls. Formen wie Gnui oder nui sind aber sicher nicht direkt aus dem Althochdeutsch iu entstanden, sondern eher über eine Zwischenstufe üüw (knüü(w) / nüü(w)), die dann diphthongiert wurde. Übrigens muss man hier genau hinschauen, von welchem Mittelhochdeutsch man spricht. Das Mittelhochdeutsch, das in den meisten Büchern erscheint, ist ein von Germanisten "normalisiertes" Mittelhochdeutsch, bei dem alle regionalen Unterschiede eingeebnet sind. Wenn man die Geschichte des Schwäbischen erforschen will, muss man sich genau anschauen, wie das regionale Mittelhochdeutsch ausgesehen hat. --Holder (Diskussion) 18:16, 1. Feb. 2016 (MEZ)[Antwort gee]