Mit Rathenau am Oberrhein
Mit Rathenau am Oberrhein | |
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Orginalusgob | |
Orginaltitel | Mit Rathenau am Oberrhein |
Autor | Hermann Burte |
Orginalsproch | Düütsch |
Erschinigsjoor | 1925 |
Mit Rathenau am Oberrhein isch e bibiliophil Buech wu dr ditsch un alemannisch Dichter Hermann Burte 1925 drucke lo het un wu sini Erinnerige an Begägnige mit em Rathenau drin sin.
Dr Walther Rathenau isch dr Suhn vum AEG-Grinder Emil Rathenau, dr isch Schriftsteller un Induschriälle gsii un noch em Wältkriäg Politiker (Üsseminischter) wore. 1922 isch dä jüdisch Politiker vu politische Gegner umbrocht wore.
Inhalt
[ändere | Quälltäxt bearbeite]Was jetz folgt, goht alles üs em Biächli viiri:
Am 30. 3. 1912, ball, nochdäm im Burte si Roman „Wiltfeber“ rüskumme isch, het dr Rathenau im Burte zwee Biächer vu sich gschickt. In einem drvu mit em Titel „Kritik der Zeit“ isch e Widmung drin gsii:
Si fangt mit eme griächische Üsspruch a - dä bedittet, Wort-fir-Wort ibersetzt: Dr Wäg obe unte eins – des nimmt dr räscht vu dr Widmig vorwäg un soll wahrschiints sage: Unser Wäg isch ungfähr dr glich.
Mit herzlichen Wandergrüßen
des Ewigen Juden
Martin Wiltfeber
dem Ewigen Deutschen
freundschaftlich überreicht
durch
Walther Rathenau
30. 3. 12
Mit Ewiger Jude het dr Rathenau sich gmeint, mit Wiltfeber un Ewiger Deutscher dr Burte – dr Wiltfeber isch dr Held in s Burtes Roman gsii.
Im Begleitbriäf zu däne Biächer isch aü e Iiladig an dr Burte gsii – däre isch er noch 1913 oder Afangs 1914 aü gfolgt; si hän sich im Grunewald am Königssee bim Rathenau droffe.
Dr Burte, wu dr Kleist-Briis nonit gha het un wu nonit het kenne sicher sii, as er dr Durchbruch as Dichter schafft, isch glicklig iber diä Sändig gsii: „Ich gab mich einem dankbaren Empfinden hemmungslos hin; es war die erste Gegengabe, die ich für mein Buch erhielt.“ Aber s wichtigscht an däm Gschänk isch em dr Briäf mit dr geischtige Aregig gsii.
Ball druf het dr Rathenau wäge Kraftwärksprojäkt z Laufeburg un z Basel z due gha; dr het dr Burte iiglade, ihne z begleite. Z Laufeburg an dr Kraftwärkboistell am Rhiin het ihre Konversation agfange. Des, was sich vor ihrene Aüge abgspiilt het, hän si mit Gedanke un Szene vu große Dichter in Verbindig brocht. So isch in ere Szene bim Shakespeare emol dr Caesar in dr Tiber gumpt, aber dur e Muetige grettet wore. Dr Rathenau frogt dr Burte, eb är do aü in des wild Wasser dät droie gumpe. „Ich würde auch dem Italiener dort unten nachspringen, der die Klammhaken in die Schalbretter schlägt!“, git dr Burte Antwort.
Dr Autor bschribt dr Rathenau un sini Gedanke mit großer Zueneigung. Zwar hän in däm oder sällem Punkt aü unterschiidligi Meinige gherrscht. So het dr Rathenau verdrätte, "die ganzen oberbadischen Spinnereien und Webereien seinen am unrichtigen Orte; sie müssen mit der ganzen Arbeiterschaft in die Gegend von Wesel verlegt werden, um Frachten zu sparen." Drno "empörte sich mein Oberländer Herz und der hohe Schädel Ratenaus erschien mir wie der eines Eroberers, eines Tartarenkönigs (...)"
Dr Burte sait iber dr ander Mänsch, wu großtechnischi Alage blant het un uf dr andere Sitte in dr „zartesten und zärtlichsten Art“ iber dr Fliiderbluescht gschwätz het: „Es war hier wie dort derselbe unheimliche Wille, alles Empfinden in Bewußtsein, alles Gefühl in Gedanken zu verwandeln.“
Bim e spetere, zweite Zämmedräffe sin si vu Basel zum Schloss Bürgle gfahre, dr Rathenau verzellt im Burte Novelle ohni dr Schluss, un si dänke sich üs, was es fir Megligkeite git, diä fertig z mache. Eimol zitiärt dr Rathenau e Stick üs em Wiltfeber üsewändig un fascht fählerfrei – e Stell, wu dr Kaiser charakterisiärt isch. Do schlet dr Burte im Rathenau vor, dr Wäg vum Disraeli z goh. Dr Benjamin Disraeli isch e jüdischstämmige Schriftsteller un zwei Mol änglische Premierminischter gsii. Dr Burte schlet do dermit im Rathenau vor, Richskanzler z wäre. Aber dr AEG-Manager sait, dr diäg nit kenne.
Wus bim Schloss Bürgle dämmeret het, het dr Rathenau dr Dichter Eichendorf zitiärt. „Niemals in meinem Leben habe ich ein Gedicht so herrlich sagen hören, niemals die unfassbare Magie des Wortes so empfunden, niemals von einem Werk so gemeint und geglaubt, es sei in dem Augenblick entstanden, in dem ich es vernahm“, schribt dr Burte.
„Dann kam der wetterleuchtende Vers:
‚Hast du einen Freund hienieden,
Trau ihm nicht zu dieser Stunde,
Freundlich wohl mit Aug’ und Munde,
Sinnt er Krieg im tück’schen Frieden.’
Ich nicht, ich nicht, sagten unsere Blicke.“
d witter Gschicht vu dr Beziähung
[ändere | Quälltäxt bearbeite]Dr Rathenau un dr Burte hän sich mehreri Mol aü üsserhalb vum Oberrhiingebiät droffe, so z Berlin, z Schafhuuse/z Minche, z Ulm un im Elsiss. Si hän viilfach korrespondiärt. Üs em Briäf vum Rathenau an dr Burte vum 11. 2. 1913 goht viri, ass dr Burte in finanziälle Schwiirigkeite isch, wel si Verleger Sarasin nit zahlt. Do schickt dr Rathenau „einen Betrag“, zum dr Burte unterstitze. Dr Burte schribt am 14. Juli: „Ich will nicht von Ihnen Geld, das fälscht und färbt, so nobel Sie sind, unser Verhältnis. (...) Aber Sie können mich anderen Leuten empfehlen (...)“ Dr Burte bedüürt, ass er üs Eigetum oder eigener Arbet ke Iikumme het; wänn des dr Fall wär, no wisst er nit; „was für liebere und bessere Gesellschaft oder gar Freundschaft ich haben könnte, als Sie.“
In däm Biäf widerholt dr Dichter nomol, was er scho bim Schloss Bürgle gsait gha het (Stichwort Disraeli):
- „Wenn ich zu einem Manne sage, er sei befähigt, und mir erwünscht, unser Volk zu regieren, als Kanzler, so liegt darin nicht eine Schmeichelei oder eine Spekulation, sondern die Offenlegung einer Einsicht, die auch dem Unempfindlichsten zeigen müßte, daß es sich hier um mehr handelt, als um Mäzensuche und Renomierfreundschaft.“
Üs em Briäfwägsel wird dittlig, ass diä zwee sich iber geischtrichi Unterhaltig nüs aü verschiidini Gfelligkeite due hän. So het dr Rathenau fir dr Burte 1913 bim Hof- und Nationaltheater Mannheim e Wort drfir iiglegt, ass si Stick Katte gspiilt wird – zu däm Zitpunkt isch aber scho bschlosse gsii, as s Stick uf dr Blan kunnt. Dr Ratenau, wu e griägswichtigi Position gha het, het dr Burte 1914 um Informatione iber Fäll vu änglisch-franzesischer Spionage bittet, wu dr Burte bi badische Grichtsbeherde het solle iihole. Dr Rathenau het dr Burte (ohni Erfolg) bi dr "Zentralstelle für Auslandsdienst" vorgschlage.
Im Briäf an dr Fritz von Unruh kunnt e enormi Wärtschetzung vum Burte dur dr Rathenau zum Üsdruck (lueg Orginalzitat vum 28. 2. 1917).
Dr letscht Briäf zwische däne zwee isch vum 13. 10. 1918, dr Rathenau dankt do im Burte fir e Sonett. In däm Gedicht heißts:
Die Hand her, Rathenau! Das war ein Wort!,
Du willst, Du Mann, daß unser Volk sich wehre,
Schon ziehn vor Deinem Seherauge Heere,
Nach Westen hin, zu halten Paß und Port
O peinlich klare wahre Lehre:
Nun den Germanen Mut und Wille dorrt,
Wahrt kühn ein Jude jenen deutschen Hort,
Den Bismarck hob, in fleckenloser Ehre (...)
Des Gedicht beziägt sich druf, ass dr Rathenau Afang Septämber 1918 gege d oberscht ditsch Heeresleitig ufdrätte isch, wu Waffestliistandverhandlige het welle fiähre (meh drzue lueg do).
Noch em Erschte Wältgriäg isch dr Burte in dr Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) biidrätte; dr Rathenau het versuecht, e eigini Bartei z grinde, isch dno aber in d Deutsche Demokratische Partei (DDP) iidrätte. Do wird dittlig, ass diä zwee afange hän mit sich politisch üsenander läbe.
D Dora Nichtenhauser vu Haage bi Lerrach het e Schriibe an dr Rathenau grichtet, wus schiints um dr Strübe (= Burte) goht. Dr Rathenau schribt am 31. 1. 1919 as Antwort:
- „Für Ihre Mitteilungen danke ich ihnen. Ich würde es tief bedauern, wenn Hermann Strübe, dessen Talent und Persönlichkeit ich schätze, sich an antisemitischen Hetzereien beteiligt hätte. Es liegt mir jedoch fern, zu einer politischen Betätigung, auch wenn sie mich kränkt, eine persönliche Stellung zu nehmen.“
Dr Rathenau isch in dr vu 1921 bis zu sinere Ermordig 1922 dr Hauptverdrätter vu dr "Erfüllungspolitik" gsii, wu vu dr DNVP bekämpft wore isch.
D Publikation vu „Mit Rathenau am Oberrhein“ 1925 dur dr Burte zeigt, ass er däm gegnerische Politiker e hoche mänschlige Reschpäkt entgegebrocht het. Glichzittig zeigts, ass er zu einzelne jüdische Mänsche greschti Hochachtung het kenne ha un ass er ängi Frejndschaft mit ene het kenne pfläge.
d Publikationsgschicht
[ändere | Quälltäxt bearbeite]Dr Text vu däre Publikation isch e Fragmänt vu 1917 üs em Buech „Weg und Wahl“, wu niä fertig wore un rüskumme isch. Wu dr Rathenau 1922 e „cäsarisches Ende“ (dr Burte so zum Mord am Ratenau) gfunde het, het er sich schiints fir e Vereffentlichung vu sinem Fragmänt entschiide, allewäg isch dä Text unveränderet in ere bibliophile Üsgab 1925 z Lerrach in dr 'Wiesentäler Handelsdruckerei Carl W. Auer' rüskumme (Antiqua-Alphabet, japanischs Büttebabiir). Vu däm iber Din-A4-große Buech mit 30 Sitte sin numme 50 Exemplar druckt wore un an üsgwehlti Persenligkeite gange - wahrschiints as Gschänk vum Dichter. Im Burte-Archiv isch e Exemplar, wu vum Autor 1938 unterschriibe un im Erwin Klusterer gwidmet isch. Friili isch des Buech änewäg ime große Greis bekannt wore. So isch in dr Zitschrift Der Markgräfler am 31. 10. 1925 e erlaübte Üszug drüs kumme, ebefalls im Heidelberger Tageblatt am 12. 11. 1927; am 29. 6. 1928 het dr Karl Aretz, e politische Frejnd vum Rathenau, e Besprächig in dr Konstanzer Zeitung gmacht. Dr Aretz bedüürt, ass dr Burte e üszugswiise Nochdruck grundsätzlig nit erlaübt – was friili im Markräfler un im Heidelbärger Dagblatt scho gschähne gsii isch.
Im Novämber 1948 isch „Mit Rathenau am Oberrhein“ nommol z Heidelbärg ufglegt wore, un zwar – wiäs Vorschrift gsii isch - mit ere Lizäns vu dr amerikanische Bsatzig. Aü diä gleiformatig Üsgab (47 Sitte, 3000 Stuck) isch schen ufgmacht – wämmer berucksichtigt, ass d Papiirqualität un d technische Megligkeite dertemol no allgmein misrablig gsii sin.
Im Burte isch vu Gegner vorgworfe wore, er diäg sich mit däre Publikation 1948 'wiä immer an diä Herrschende' aschliime. Anderi lege nem des positiv üs: s diäg zeige, ass si Antisemitismus, wu ner im Dritte Rich zeigt het, nit si erscht un si letschs Wort gsii isch.
d Interpretationsgschicht
[ändere | Quälltäxt bearbeite]Dr Schiller-Forscher Dr. Karl Hans Berger het in ere Bsprächung vu dä Buech (1925) d Differänze zwische däne zwee betont. So heb dr Burte si „erregte Bewunderung für den ihm fremden Geist“ gsähne. Zu dr Widmung, wu dr Rathenau sich as „Ewiger Jude“ un dr Burte as „Ewiger Deutscher“ darstellt, meint dr Berger:
- „Rathenau selbst erkannte und bekannte von vorneherein, dass er als ausgeprägter Vertreter und Wortführer jüdischer Geistesrichtung zu einem Genius germanischer Art und Prägung komme.“
S Buech ändet kurz noch dr Szene, wu dr Burte im Wald am Schloss Bürgle s Eichedorfgedicht vum Rathenau ghert gha het:
- „Rathenau war mir nahe und ferne wie keiner sonst. Und im Höhersteigen wurde mir klar, daß wir zwei parallele Geraden waren, die sich mit gleicher Kraft anziehen und abstoßen, zu Konflikt und Symbiose bereit, und, wenn sie hier nicht eins werden, sich erst im Unenflichen in einem Punkte treffen können ....“ (Schluss vum Buech, Pinktli vum Burte.)
Dr Berger interpretiärt des politisch: „Kann man es feiner ausdrücken, dass im Zeitlichen und Endlichen, auf dieser kampferfüllten Erde, die Ausgleichung gerade solcher Gegensätze „ewig“ ein frommer Wunsch bleiben muß?“
In dr nationalsozialischtisch prägte Lobschrift „Der Wiltfeberdeutsche Hermann Burte“ beziägt sich dr Max Dufner-Greif uf dr Berger un unterstricht däm si Sicht. Är goht no friili viil witter: Während dr Burte in sinem Fragmänt dr Rathenau as gachtete Frejnd mit zum Deil unterschiidlige Meinige dargstellt het, verabsolutiärt dr Dufner-Greif d Gegesätz zwischen em Rathenau un em Burte un dittet si nationalsozialischtisch: Do seige sich zwee Fejnd begägnet, dr Burte seig bim Rathenau in d Hehli vum Leb gange, dr Burte heb do e heimligi Sähnsucht gha, sinem „größten und fernsten Gegner“ in d Aüge z luege. Dr Lobschriiber unterschlet, ass er au zu „Symbiose“ bereit gsii isch un nit numme zum „Konflikt“.
Ass dr Burte Hermann 1939 däre Üslegung vum Dufner-Greif widersproche hätt, isch nit bekannt.
e Orginalzitat
[ändere | Quälltäxt bearbeite]Dr Walther Rathenau am 28. 2. 1917 im Briäf an dr Fritz von Unruh: "Der Verfasser des Wiltfeber (...) ist ein Mensch von starker Begabung, bei dem ich freilich mir nicht ganz klar darüber bin, ob seine Zukunft auf dichterischem, rednerischem oder politischen Gebiet zu suchen sein wird. (...) In dem Roman, von dem sie sprechen, einem Werk von Gehalt und jugendlicher Unausgeglichenheit, sind die eingesprengten Reden und politischen Betrachtungen von eigenartiger Kraft. (...) Als Mensch trägt er die gleichen Züge kräftiger ländlicher Frische, die seine Arbeit erfreulich macht; eine Mischung aus Ungebärdigkeit und Schmiegsamkeit, wie sie dem guten alemannischen Schlage zu eigen ist. (...) Den Menschen habe ich gerne, denn er verdient Vertrauen; jede Förderung, die ihm zuteil würde, wäre als Dienst an dem zeitgenössischen, an kräftigen Menschen nicht reichen geistigen Deutschland zu danken und mir eine Freude."
Literatür
[ändere | Quälltäxt bearbeite]- Hermann Burte: Mit Rathenau am Oberrhein. Heidelberg 1948
- Walther Rathenau: Briefe. Teilband I: 1871 – 1913. Düsseldorf 2006
- Walther Rathenau: Briefe. Teilband II: 1914 – 1922. Düsseldorf 2006
- Karl Hans Berger: Hermann Burtes Buch: Mit Rathenau am Oberrhein." (Schribsatz vu 1925 im Hermann-Burte-Archiv Muulburg)
- Max Dufner-Greif: Der Wiltfeberdeutsche Hermann Burte.