Text:Johann Peter Hebel/J. P. Hebels sämmtliche Werke: Band 2/Der Geist in der Neujahrsnacht

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[69] Der Geist in der Neujahrsnacht *)[1].

Tochter, suech e Strumpf, und stopfen do hinten ins Fenster,
wo hütt 's Büebli mittem Stecke d'Scheibe verheit het.
G'schicht ich im neue Johr kei größer Unglück, aß das isch,
chönneter z'friede sy. Doch weihts mer so frostig in Aecke,
und i bi die letzti Nacht e wengeli z'jung gsi
für mi Alter, doch mit Zucht, und eimol isch keimol.
Will me Geister erblicke, und heiligi Sache erfahre,
[70] mueß me, wenns Zwölfi schlacht, nit in de Federe liege.
Nu mer hen is verspötet mit allerhand fründlige Gspräche
z'Heitersche an der Stros, und Uhr und Zeiger isch gstande.
D'Uhr het im alte Johr no welle ne wengeli Frist geh,
oder hani is verhört.- „Guet Nacht, ihr Nochbere“, sagi,
„mi Weg wird am witschte sy go Chrotzige“, sagi,
„gebis Gott e glücklich Johr und freudigi Sinne!“ -
„Das geb Gott der Her“, so sage die Andere, „und schick di,
„sust trapiert di der Geist no näume, eb de deheim bisch,
„wo mit sim Chind im Arm am letzte Dezember an d´Stros stoht.
„d'Postknecht wisse's alli, und rite lieber e Feldweg.“ -
's isch so cho, und zmitts im Dorf, und woni ums Eck gang,
Nebe 's Xaveris Huus, bim Bluest, do stoht er am Brunne,
[71] gros bis fast ans Dach und inneme duftige Mantel,
gwoben us Wulken und Liecht, und mitteme Bändel im Chnopfloch,
und het in den Arme und halber im Mantel verborge
wunderschön e Büebli gha mit fründlige Auge,
chüeßts und lächlets a us sine ernstlige Mine,
wie us nächtligem Gwülch der Vollmond lieblig in d'Welt luegt.
Siehsch mi nit, so thuesch mer nüt - so denki und weih mi
mit em heilige Chrütz, und stell mi hinter de Brunnstock,
und will lose, was er seit, und wienerem zuespricht.
Wenig hani z'erst verstande; 's Wasser het bruuschet
us de Röhre in Trog und us em Brunntrog ins Gräbli.
„Chilchhof“ - hani verstande, und – „Nüt darf ewige Bestand ha.“ -
Und – „Jez gohsch in d'Welt mit dine Schmerzen und Freude.
„Theil sie verständig us, und was ich nimme cha schlichte,
„bring zuem guete End. Sie hen e freundige Herbst gha.
„Trinkt ein z'viel, und sitzt er lang im nächtlige Wirthshuus,
„gang, und bietem heim, und füehren, daß er kei Bei bricht!
„Nimm di der Armueth a, und sorg mer für Witwe und Waise,
„mach mer die Chranke gsund. - Die brave Soldate han ich no
„mit Trumpet- und Pauke und Ehren-Chränze ins Land gfüehrt.
„Loß du Freude und Tanz und Aepfelchüechli nit fehle,
„wenn sie im Urlaub sin deheim bi Vater und Muetter.
„Seig kei Fabelhans, und denk nit, wil e Kometstern
„duftig am Himmel hangt, so müeß isch Feldzug und Schlachte,
„Hungersnoth und Sterbet bringe, Zetter und Elend.
„'s isch mi Ehrenstern. Siehsch nit mi Bändel am Chnopfloch?
„Roserot isch Freud, und Grüen isch lieblige Hoffnig.
„Gang, verdien der au so ein mit dine Merite,
„und schmück Jung und Alt mit frumme Sitte und Thate!“
Drüber schnurrts im Thurn in alle Räder am Schlagwerk,
und wie's Zwölfi schlacht, so stellt er 's Büebli an Bode,
wie der Engel so schön, und wie der Morgen so lieblig,
und seit: „Das walt Gott! Jez gang uf eigene Füeße!
„gieb mer frei wohl Acht zum güetige Fürste in Karlsrueh,
„zue de Friburger Herre, und zue de Landen im Brisgau,
„aß sie kei Leid erfahre, und bringene Freuden und Gsundheit!
Süeß, wie Sunneblick, het's Büebli glächlet und Jo! gseit.
Aber mittem letzte Schlag im luftige Chilchthurn
goht er in große Schritte 's Dorf us, und gegenem Rhi zue,
alliwil gschwinder und größer, und alliwil bleicher und dünner,
[75] wiene Nebelduft am Feldberg oder am Belche.
Und wie nootno in der Mitternacht d'Glocke verbrummt het,
het si der Duft verzoge, und isch vergange und weg gsi.
Chunnsch bald mit em Strumpf? 's zieht alliwil schärfer und chüeler.
Wenni lang verzehl, stohsch lang do ummen und gohsch nit.


  1. *) Dieses Gedicht wurd auf das Jahr 1808 verfaßt, und damals zuerst im Freiburger Wochenblatt mitgetheilt.