Text:Johann Peter Hebel/J. P. Hebels sämmtliche Werke: Band 2/Der Abendstern
[78] Der Abendstern
De bisch au wieder zitli do
und laufsch der Sunne weidli no,
du liebe, schöne Obestern!
Was gilts, de hättsch di Schmützli gern!
Er trippelt ihre Spure no,
und cha si doch nit übercho.
Von alle Sterne groß und chlei
isch er der liebst, und er ellei;
si Brüderli der Morgestern,
si het en nit ums halb so gern;
und wo sie wandlet us und i,
se meint sie, müeß er um sie si.
[79] Früeih wenn sie hinterm Morgeroth
wohl ob em Schwarzwald ufe goht,
sie füehrt ihr Büebli an der Hand,
sie zeigt em Berg und Strom und Land,
sie seit: „Thue g'mach, 's pressirt nit so!
„Di Gumpe wird der bald vergoh.“
Er schwätzt und frogt sie das und deis,
sie git em B'richt, so guet sie 's weiß.
Er seit: „O Muetter, lueg doch au,
do unte glänzts im Morgethau
so schön wie in di'm Himmelssaal!“
„He, seit sie, drum isch's Wiesenthal.“
Sie frogt en: „Hesch bald Alles gseh?
„Jez gangi, und wart nümme meh.“
Druf springt er ihrer Hand dervo,
und mengem wiße Wülkli no;
doch, wenn er meint, jez han i di,
verschwunden isch's, weiß Gott, wohi.
Druf, wie si Muetter höcher stoht,
und alsgmach gegenem Rhistrom goht,
[80] se rüeft sie 'm: „Chumm und fall nit do!“
Sie füehrt en fest am Händli no:
„De chönntsch verlösche, Handumcher.
„Nimm, was mers für e Chummer wär!«
Doch, wo sie überm Elsis stoht,
und alsgmach ehnen abe goht,
wird nootno 's Büebli müed und still,
's weiß nümme, was es mache will;
's will nümme goh, und will nit goh,
's frogt hundertmol: „Wie wit isch's no?“
Druf, wie sie ob de Berge stoht,
und tiefer sinkt ins Oberoth,
und er afange matt und müed
im rothe Schimmer d'Heimeth sieht,
se loßt er sie am Fürtuch goh,
und zottlet alsgmach hinte no.
In d'Heimeth wandle Heerd und Hirt,
der Vogel sizt, der Chäfer schwirrt;
und 's Heimli betet dört und do
si luten Obedsege scho.
[81] Jez, denkt er, hani hochi Zit;
Gottlob und Dank, 's isch nümme wit.
Und sichtber, wiener nöcher chunnt,
umstrahlt si au si Gsichtli rund.
Drum stoht si Muetter vorem Hus:
„Chumm, weidli chumm, du chleini Muus!“
Jez sinkt er freudig niederwärts –
jez ischs em wohl am Muetterherz.
Schlof wohl, du schöner Obestern!
's isch wohr, mer hen di alli gern.
Er luegt in d'Welt so lieb und guet,
und bschaut en eis mit schwerem Mueth,
und isch me müed, und het e Schmerz,
mit stillem Frieden füllt er's Herz.
Die anderen im Strahleg'wand,
he, frili jo, sin au scharmant.
O lueg, wie 's flimmert wit und breit
in Lieb und Freud und Einigkeit!
's macht kein em andere 's Lebe schwer,
wenns doch donieden au so wär!
[82] Es chunnt e chüeli Obeluft,
und an de Halme hangt der Duft.
Denkwol, mer göhn jez au alsgmach
im stille Frieden unter's Dach!
Gang, Liseli, zünd 's Ämpli a!
Mach kei so große Dochte dra!