Fänsterle

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S Fänsterle, s Chilte oder s Gade-Stiige isch e Bruuch gsi, wo vor allem in ländlige Gegende pflägt worde und vilmol gsellschaftlig akzeptiert gsi isch.

Bruuch[ändere | Quälltäxt bearbeite]

Bi däm Bruuch isch e junge Maa, wo sich für e Mäitli intressiert het, z Nacht zu deren iirem Schloofzimmerfänster uufeklätteret. S Mäitli het chönne entschäide, öb si en iineloot oder nid. Es isch vilmol zum Gschlächtsvercheer choo und, wenn s Mäitli schwanger worden isch, häi die bäide im Allgemäine ghürootet. Eso häi die junge Lüt iiri Gschlächtlikäit im ene akzeptierte Raame chönne uslääbe und au d Fruchtbarkäit vo dr junge Frau chönne brüefe.[1]

Drzue het mänggisch ghöört, ass d ‹Nachtbuebe›, jungi Bursche us em Dorf, em Chiltgänger abbasst häi und do und dört handgriflig worde si, vor allem wenn dä us eme andere Dorf gsi isch. Als Schandzäiche häi si mänggisch vor em Huus vom Mäitli e Straumaa ufgstellt. Wenn e Dännli, wo mit Bänder gschmückt gsi isch, vor s Fänster gstellt worden isch, isch das en Eerig gsi.[2]

Gschicht[ändere | Quälltäxt bearbeite]

S Fänsterle isch scho us em früeje Middelalter bekannt. Dr oströmisch Historiker Prokopios vo Caesarea erwäänt s scho im säggste Joorhundert und au spööter im 12. Joorhundert reedet dr Minnesänger Dietmar vo Alst vo «toerschen biligen». Es isch zum Bischbil au z Savoye, in dr Vendee und z Ängland Bruuch gsi.[3]

Dr Bruuch isch aber nid immer uf Verständnis gfalle. So isch am 14. Mai 1766 z Basel s Gadestiige verbote worde, au wenn vili behauptet häi, ass nüt drbii wurd bassiere und d Eltere drvo wurde wüsse.[4][5] Au z Züri het 1757 d Obrikäit s Fänsterle verbote und de Bedäiligte Stroofe as ‹Huerer› aadroot.[6] E Grund für die Verbot isch möögligerwiis d Daatsach gsi, ass im 18. Joorhundert d Zaal vo de unehelige Chinder immer grösser worden isch.[7] Bis zum 19. Joorhundert isch s Fänsterle braktisch überall verbote worde.[3]

Literatur[ändere | Quälltäxt bearbeite]

  • Paul Hugger: Kiltgang. In: Historisches Lexikon vo dr Schwiiz.
  • Schweizerisches Idiotikon, Band III, Spalte 242–246, Artikel Chilt mit Abläitige (Digitalisat). [Kultuurgschichtliche Iiblick us dr Sicht vom spoote 19. Jorhundert.]
  • Der Kiltgang. Ein ernstes Freundeswort an christliche Aeltern und Hausväter. Jenni, Bern 1822. Digitalisat
  • Friedrich Jakob Beck: Ist das Nachtschwärmen und Kiltgehen eine unschuldige ländliche Sitte, oder aber eine wahre Landes- und Volkspest. Freimuthig beantwortet [usw.]. Aarau 1824.
  • Franz Joseph Stalder: Fragmente über Entlebuch, nebst einigen Beylagen allgemein schweizerischen Inhalts. Zürich 1797/1798, Digitalisat.

Fuessnoote[ändere | Quälltäxt bearbeite]

  1. Einführung in die frühe Neuzeit: Die Forderung nach vorehelicher Enthaltsamkeit uf dr Website vo dr Uni Münster, abgrüeft am 10. August 2012
  2. Geographisches Lexikon der Schweiz, Band V, S. 34, im Artikel Schweiz.
  3. 3,0 3,1 Horst Haub: Partnerschaftlichkeit im Hochmittelalter. Grin Verlag 2008, S. 17.
  4. Peter Ochs: Geschichte der Stadt und Landschaft Basel. Schweighausersche Buchhandlung Basel 1822, achte Band, S. 78.
  5. Der Statt Basel Ehegerichts-Ordnung. Johann Heinrich Decker, Basel 1747, S. 50.
  6. Sammlung der bürgerlichen und Policey-Gesetze und Ordnungen. Orell und Comp., Zürich 1757, zwäite Band, S. 251.
  7. Heinrich Richard Schmidt: Dorf und Religion. Bärn 1995, S. 178.