Text:Sebastian Sailer/Trauerlied auf ein altes Weib

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Trauerlied auf ein altes Weib

Huit will jetz aufwata i
und gauh’ lassa haira mi,
au singa ui zua Aihra
vo meim Weib, deam Raffelscheit,
um dui mis koi’ bitzle g’heit.
Deand mi gauh’ nu’ a’haira.

G’schtorba ischt sui eaba heut,
dô ma hôt in d’ Kircha g’läut’;
i wai’sch ar ’s ebig Leaba.
Achzig Jährla hôt sui zählt,
gnôd ar Gott in jener Wealt;
ar geab ar d’ Ruah darneaba.

Sui ischt schau’ g’wea krumm und lahm,
dô i sui zum Weib bekam.
O pfui, was hau-n-i g’machat,
daß i bi’ so närrisch g’wea
und sui hau-n-itt besser b’seah’?
Sui hôt mi brav ausg’lachat.

Wia a Vieatel war iahr Kopf,
und am Hals hätt sui an Kropf,
as wia mei’s Schimmels Kummlat.
Wenn sui soff an Brändtawei’,
Knollat lieaß s’ an laufa nei’,
bis sui ischt gar umdumlat.

Ihre Nasa sahe aus,
wia ’s Kami’ uf ’s Bläsis Haus,
sui dät se sealta butza.
Hätt an Baat as wia a Ma’,
länger as ma saga ka’,
und lieaß an niea a’schtutza.

A baar Auga hatte siea,
graißer hau-n-i ’s g’seah niea,
so rund wia dia Naachteula.
Wenn sui s’ hôt reacht aufgedau’,
flogat d’ Vögel all darvau’,
’s dät koiner si verweila.

Acht Eck hatte wohl ihr Maul,
es sah gleich mei’m alten Gaul,
und kurra dät’s, wia b’seassa:
Rieß s’ as auf in älle Weit,
Jeder lauft darvau’ und schreit:
Auweh, sui will mi freassa!

Sechs Zähn hatte sui so schön
wia dia Ballisada schtehn
dötta bey Koppahaga.
Zum Zah’schtiefer brauchte siea
an Mischthôka, hau’ jô niea
noitz wüaschters haira saga.

A baar Auhra hatte siea,
wüaschter hau-n-i ’s g’funda niea,
sie faßten wohl vier Schöffel.
A’zuaseaha war’s a Graus,
wenn sui dia wollt’ butza aus,
so braucht sui an Kohlöffel.

An die Finger gieanga raus
Nägel wia mei’ Gabel z’ Haus,
so weiß as wia a Kreida.
An mir hôt sui’s oft gewetzt
und mir ’s G’siicht reacht wüascht verkretzt;
i hau’s do müassa leida.

G’schwind und subtil war iahr Gang,
zua erzähla war mar’s bang,
wia sui dia Füaß dät schtella.
Wia a Bäar drabbt’s ussam Haus,
g’schwinder könnt sui fahra aus
über dia Zäu’ und Schwella.

I hau’ sui au g’füahrt zum Danz,
diesa-n-alta Kälberranz,
glei’ wia an Ochs hôt’s brummlat.
Solche Rädla machte siea,
besser könnat’s d’ Schweitzerküah,
ischt glei’ uf d’ Erda dummlat.

Schnarcht sui, hairt ma’s ins neunt’ Haus,
ma moi’t, sui schrey d’ Schtunda-n-aus,
so schtark schneidt sui dia Breatter.
Ma moi’t ’s freile itt umsau’scht,
weil von iahr gôht reacht viel Dau’scht;
ma moi’t, ’s komm gar a Weatter.

Wia a Schlüsselbix so schnellt’s
in deam alte Luaderbelz,
fascht duat’s wia a Karthauna.
’s bommpert, ’s krachat überall,
wia bei Pferda in deam Schtall,
blôst hinda naus Posauna.

’s war zua Zeita eabbas dra’,
dees ma itt gar läugna ka’,
as wia vôr litzel Daga
dät’s bey ar an Weatterloich
und glei’ druf an graussa Schtroich;
ins Bett nei’ gar hôt’s g’schlaga.

’s Burfel raucht no ziemle viel
vo’ dear alta Pfeaffermühl
bey ar no in dar Kammer.
Butza duat ma, was ma ka’,
’s will koi’ Butza healfa dra’;
as ischt a grausser Jammer.

Schtoffel ischt zwôr mei’ Nôchbaur,
dänischt kanar sei’ a Laur;
ar will mar oina geaba.
Sait, sui sey au schöa, wia ear,
koi’ so alter wilder Bäar,
sui sey au reich darneaba.

Schtoffel, luig mi nu’ itt a’,
denk, da seyscht a Biderma’,
dua mi nu’ itt betrüaga.
Gieb mar oina, dia sei’ schtill,
koi’ so alte Bulfermühl;
o dua mi itt a’lüaga.

Nu’ mei’ Graith, so b’hüat di Gott!
hôscht mi plôgat, ’s ischt a Schpott.
I will dar’s do verzeiha.
I will diar zuar Dankbarkeit
’s Vatterunser beata heut
und drui Avemareia.

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Sebastian Sailer „Trauerlied auf ein altes Weib“ in „Deutsche Gedichtebibliothek“