Text:Rudolf von Tavel/Ring i der Chetti/Kapitel 43

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Ueber em ganze Schwyzerland isch ds Jahr druuf, i den erschte Tage na der Fasnacht, ei einzigi graui Wulkeblache ghanget. Me het nid gwüßt, wo d’Bärge hicho sy. D’Tannewälder sy im Schnee umenand gstande wi an ere Lycht, und um d’Burehüser ume hei d’Böum ihri dürren Escht ufgreckt, wi us großer Längizyti na Liecht und Sunne. Alles zsämegrächnet andächtigs Wätter! Andacht isch aber o vo den Obrigkeite befole gsi. D’Lüt sy under de Vorschärme gstanden und hei de Glogge glost, wo vo allne Chilchstürm der Fride verchündet hei, Fride mit Burgund, Fride mit dem Rych, mit dem Franzos, mit der Herzogin vo Savoye. Und ds Wichtigschten isch gsi, daß die alli underenand o Fride gmacht hei. So isch es uf em große Tag z’Zürich usgmacht worde.

«Es isch afe Zyt», het der Buur gseit, «so cha me wider einisch z’grächtem derhinger.» Und syni Buebe hei dänkt: Längwylig! Jitz geit niene nüt meh. Het der Alt überleit, was er im Ustage well vürnäh mit sym Härdli, so het der Jung de Choschtbarkeite nachegluegt, wo-n-er Sinns wär gsi, öppen a menen Ort im Fäld z’ergattere, für Gäld z’machen oder für e Schatz mache z’murbe dermit, und wo jitz bi Gloggeglüt im Graue dervo gschwumme sy. Andacht und schlächte Luun hei under eim Dach vüregluegt. Und i de Herrehüser isch es nid besser gstande. Di Alte hei Chriegs gnue gha: dem ritterlechen Ufwuchs hingägen isch es vorcho, er syg für nüt meh da. Und ds Schönschte vo allem: I de Ratshüser, wo geschter befole worden isch, der Friden yz’lüten und Chrüzgäng zu Gottes und aller Heiligen Ehr z’tue, het me, sobald daß drei oder vier Ratsmanne binenand gsi sy, Gsichter gmacht wi bi nere rächt giechtigen Erbteilung, wo me lieber d’Sach i Schärben und Spryße verschlüeg, als müesse zuez’luege, wi der Brueder o no öppis heitreit. Die i de «Länder» hei de Stedt nid trouet, jedi Stadt het der anderen ufpasset, und isch es Soumroß mit gschuldetem Gäld us Frankrych, Savoyen oder Burgund cho, so isch me vor Yfersucht scho us der Hut gfahre, chuum daß me sys Glöggli ghört het. Eidsgenössische Bruedersinn, Chyb und Nyd hei a der glyche Fasnacht uf em glyche Bode tanzet.

Z’Bärn hei i der ganze Stadt d’Buzeschybli gsurret vom Fridesglüt, und d’Gasse sy schwarz gsi vo Lüt, wo uf d’Prozässion gwartet hei. Wär öppis het gha z’bedüte, isch i der große Chilche gsi und het ghulfe bätte. Jitz stande si uuf und sölle der Zug formiere. Ds Liechterheer vo de Schuelchinder flämmlet scho i der Fyschteri vom Gwölb hinder em große Portal, und d’Trumpeter chehre no einisch ihri Hörner, für suber chönne z’blase. Da git der Lütprieschter dem Herr Adrian e großi brönnigi Cherzen i d’Hand.

«Mueß das sy?» fragt der Ritter.

Ganz erstuunet ob där Frag, seit der Prieschter — es isch dem Herr Adrian sy Bychtiger —: «Frylech mueß das sy. Grad juscht am Schultheiß isch es, ds Liecht voruus z’tragen und hütt erscht rächt. Das isch doch ds Sinnbild vo der Gottesverehrung. Dänket nume, Dir traget Eues Härz i der Hand, Ritter!»

Hinder ihm chöme di Herre vom Chlyne Rat, alli di stattleche Manne. Me isch doch geng stolz uf sys Bärn, wenn men albe die binenand gseht. Und dasmal luegt me se mit bsundere Gfüehlen a. Sy si nid alli z’Murte derby gsi? — Prächtig, wi das Liechterheer dür di graue Gasse chunnt. Weihrouch fahrt uuf zum graue Himmel. I ds Donnere vo de mächtige Glogge dröhne d’Trumpete, und wi ds Tose vo mene Wasserfall macht ds Psalmodiere vo de Barfüeßer und vo de Dominikaner, wi ds Chüschelen und Süüne vo Schilf und Wyden im Föhn ds Bätte vo de Chloschterfroue.

Ach, eine vo de schönschte Mannen isch nümme derby. Er fählt eim: Der Herr Niklaus vo Scharnachthal. Ewig schad! Währed der Herr Adrian furt gsi isch vor bald mene Jahr, het einisch der Blitz i Münschterturm gschlagen und zündtet. Wi jeden andere Ratsma het der Ritter vo Oberhofe ghulfe lösche, är mit bsunderem Yfer. Het er öppe nid ghulfe Fänschter stifte? Die hätte ne groue. Aber es isch z’vil gsi für ihn. Der Chlupf, der Yfer, d’Hitz! Der Schlag het ne troffe, und sider lyt er mit glähmte Glider i sym Oberhofe.

Prächtig fyrlech isch der Zug mit syne vile hundert Cherze di düschteri Cheßlergaß uuf. Loubebogen um Loubeboge sy d’Lüt z’kuppeleswys i Schnee gchnöilet, wenn der Baldachin cho isch. D’Fahne sy über de Höupter cho z’schwanke, und Tonwälle sy de Hüser nah brandet, ga wecke, wär no nid voruse cho isch.

Am meischte Blicke het der Schultheiß uf sech zoge, öpper, wo ne bsunders guet kennt, het welle ha, es sygi wi nes fyns Lachen uf syne Züge gläge; anderi hei bhouptet, si heige nüt vo Lache gmerkt, grad ehnder truurig oder emel wi wenn er bsunderbar a öppisem z’studiere hätti, heig er drygluegt. Und beidi hei rächt gha. Wenn er a dä Tag zrückdänkt het, wo-n-ihm im Waldmeer um Fontainebleau d’Herbschtsunnen ufgangen isch, het er sech schier nid möge gwehre, chly z’lache hie z’mitts i där Pracht. Aber de het er nume syni Gedanke chly bruuche la voruusz’flüge, so isch der Schatten über ihn cho. — Ja ja, i tragen ech ds Liecht vora, und dir findet’s rächt, aber wär von ech lat sech la zündte?

Geng no hei Lüt hindenum ihm ufpasset, ob er ächt nid doch lätz sygi; aber niemer het frei offe so öppis dörfe säge. Het men o nid alles grad begriffe, was er gseit und gmacht het, so isch es doch allnen offebar gsi: Dä Ma het rächt. Wenn eine, so ma dä’s no ebha, daß nid alles chrumm usechunnt.

No der ganz ander Tag isch dem Schultheiß i den Ohre gläge, was d’Mönchen und alles Volk mit ruuche Stimme dür di ganzi Stadt Bärn gsunge hei: «Gloria, in altissimis Deo, et in terra, pax hominibus bonae voluntaris.» Ja, het er sech gseit, jitz mueß me se bim Wort näh! Mit dem Friden im Land und vorusse mueß Ärnscht gmacht sy. Aber der Ritter vo Spiez het Wält und Möntsche z’guet gkennt, für nid z’wüsse, wi lugg so ne Fridesvertrag glismet isch, und daß d’Machthaber vo der Fridessäligkeit gärn profitiere, für hindedüre Kanone la z’gießen und Halparte la z’schmide. — Jitz isch’s uus mit dem Glöuf! Me mueß d’Chraft daheim bhalten und i ds Land stecke. Hie wird agfange, und de luegt me wyter. Der Schultheiß het es Verbott erla und jedem, wo uf eigeti Fuuscht frömde Herre nacheloufi, mit dem Galge dröit.

Für mit däm Ärnscht z’mache, het er alli vernünftige Lüt hinder sech gha. Si hei begriffe, daß dä, wo di Losung usgä het, o mueß am Rueder blybe, und drum hei si der Herr Adrian syne heimleche Nyder z’trotz und gäge Bruuch vo de letschte Jahre z’Oschteren im Amt bestätiget.

Aber und jitz das Jungvolk vom Adel? Z’Bärn und uf de Schlösser sy läbesluschtigi, chreftigi Bürschtle gsi, wo zu öppisem hei welle bruucht sy. Die hei der Chopf voll gha vo de Heldetate vo Grandson, Murten und Nancy, hei gwüßt, daß di ganzi Wält Schwyzer suecht. Alles stüend nen offe. No nie hätti me meh chances gha als i däm Ougeblick. Und jitz das Verbott! — Da het’s längi Gsichter gä. Vom Chrieg här gnietigi Vätter hei afa ufbegähre, me wärdi däm junge Volk nid Meischter, es versprützi vor Läbesluscht und möcht öppis wärde. Ob me se de söll la im Land umenand gheien und Meitschi unglücklech mache? — Anderi Vätter hei uf de Stockzänd glachet und gseit: «Das Verbott mueß me nid so spitz näh, das isch für ds gmein Volk! Me wär wohl dumm, wenn me nid vom Ruef profitierti, wo d’Schwyzer jitz hei. — Wei luege, was de der Buebebärg sälber macht.»

Dem Herr Adrian isch bald z’Ohre cho, daß me sech vo Schloß zu Schloß verabredi, dene junge Lüte Platz z’sueche, den einte bim Franzos, den anderen i Burgund. Da het er mit der Fuuscht uf e Kanzleitisch ghoue, daß d’Tinten e ganzi Syte vom Ratsmanual überspräglet het, und dem Schryber diktiert: «Zedel an alle Twingherren zu Stadt und Land: Der Galgen seye für alle da, ob hoch oder gering!»

Und wo du eint und andere Herr ga Bärn uf ds Rathuus cho isch, für mit dem Schultheiß es vernünftigs Wort z’rede, so: «Aber los jitz...», da het der Stadtschryber i sech yne glachet und gseit: «Sic scriptum, i cha nüt ändere drann, und der Herr Schultheiß isch über Land gritte.»

Der Herr Adrian isch a Wändelsee, ga früschen Ate zieh, und juscht i dene Tage sym chranke Nachbar änet dem See, dem Herr Niklaus vo Scharnachthal, ga ne Visite mache. Si hei ja frylech sit Jahre scho ds Heu nümmen uf der glyche Büni gha, di zwee; aber der Herr Niklaus isch halt doch e wahrhaft adelige Möntsch gsi, wi ja o der ander Niklaus, der Diesbach synerzyt, und drum het me sech trotz allem geng wider verstande.

Si hei sech scho lang nümme gseh gha, und im erschten Ougeblick het’s der Spiezer dunkt, der Herr Niklaus sygi wenig veränderet. Er isch under mene Blueschtboum am See gsässe. Der Patriarchebart, früecher schön pflegt und gschnitte, het jitz wi ne graui Flächte di breiti Bruscht überwuecheret. A di römische Senatore het der Herr Adrian müesse dänke, wo wi Bildsüüle vor em Find sy blybe sitze. Sobald er du aber het afa reden und d’Wort us em zogene Muul undütlech vürecho sy, het’s dem Ritter vo Spiez tief i ds Härz gschnitte. Er het der Herr Niklaus gfragt, ob’s ne hert achömi, so still müesse z’lige.

«Im Afang wohl», het er g’antwortet, «es isch ja längwylig, aber es het o öppis für sech, wenn ein d’Wält mit ihrem Thäber nüt meh ageit. Me het sech doch mängisch am lätzen Ort eryferet. Lue, i mueß mängisch a Fränkli dänke. Wo-n-ig ihm einisch i syne letschte Tage gseit ha, es syg mer o leid für ihn, daß er so hert ghöri und sech so mängs müeß la etwütsche, het er glachet und gseit: ‹O, Herrjeh! Für was mer da abgeit! I ghöre geng no meh weder gnue. Es wär gnueg a mene Viertel vo däm, wo gredt wird›.»

«Das het öppis», meint der Herr Adrian. Si hei sech über ds Truurige vom Ougeblick ewäg ghulfe mit dem Uffrüsche vo luschtigen Erläbnis us der Chriegszyt. Aber derhinder isch geng wider öppis vürecho, wo einisch schön und groß gsi isch, früsch und sunnig und jitz nüt meh.

Gar nüt chönnen afa het der Spiezer mit der einisch so luschtige Frou vo Scharnachthal. Schön isch si geng no gsi, aber verblüeit. Ihre herrleche stolze Ritter gseh z’verfalle, het si nid mögen erlyde. Däm Ma, wo a größere Zytvertrib isch gwanet gsi, het si mit ihrem Tröschterle nume no Längizyti gmacht.

Herrlech lachet um e ganze See ume der Früehlig, wo der Schultheiß ga Spiez zrück fahrt. Ei Blueschtchranz z’ringsetum. Uschtigs-Sunneglanz. Aber i sym Innere lüüchtet en anderi, e Herbschtsunne. Es het ihm gar nid pressiert, i ds Schloß ufe. Uf halbem Wäg vo der Ländti het er abgschwänkt und isch hinder d’Chilche ga sitze, wo-n-er scho so mängisch über Verganges und Künftigs nachegsunne het. Da, um ne-n-ume, isch alles no wi zu ds Vatters Zyte. Aber wi het’s doch gstillet! Der Philipp tot, der Narr, der Chilchherr im Paradiesli, der Diesbach, der Fränkli und so mängen i de Herrschafts-Dörfer. Und zrückblibe so mänge, wo nid wott guet tue! Me wird einsam. Es isch eso niemer meh da, wo ein z’grächtem versteit. — Ah! Mängisch chunnt’s einen a, me mögi nümme... Aber es isch no nid so wyt. Es mueß no gschaffet sy! Vergäbe wott i nid d’Cherze voruus treit ha. Komedi gspilt ha wott i nid. Wi het doch der Vatter gseit? Hie, a der Muure? Ja ja, i weiß es, i dänke dra, Vatter! E ganze Ma, e ganze!

Mit hert-ärnschtem Gsicht chunnt er i Schloßhof zrück. — Herbschtsunne suecht Frucht und macht ryff. — Da chömen ihm d’Chinder etgäge. Gott syg Dank! Ds Eveli. Jitz o so öppis wi nes Spiezer-Chirsi. Früsch und chlepfig. Und der Bueb, der Jäni. «Ja ja, du!»

«Was, Vatter?»

Er überchunnt nid grad Antwort. Der Vatter dänkt: Es isch grad, wi wenn ig in e Spiegel luegti. I möchti dir hälfe, möcht’s besser mache, als my Vatter ’s mit mir agstellt het; aber neui Vätter, neui Mißgriffe! Wenn me numen afange das z’stand brächti, was üsi Alte!

Erscht am Äßtisch, wo si alli binenand sitze, seit der Herr Schultheiß: «Jäni, wi wär’s, wenn du jitz di würdisch zwägmache, für a ds Heilige Grab?»

Der jung Adrian blitzet uuf, verlüürt allen Appetit vor Freud. «Hütt no!» antwortet er.

«Nume nid gsprängt! Du hesch no mängs z’lehre bis dahi; aber mir wei derhinder.»

Di Froue wüsse, daß, wenn der Herr Adrian seit: «Wi wär’s?» das so vil isch wi Befähl.

D’Frou Jeanne isch zwüsche Lache und Briegge; aber sy müessi’s ja doch einisch, seit si sech und isch i Gedanke scho bi der Usrüschtung vo ihrem Suhn.

D’Muetter Änneli hingäge, schmal und älfebeinig, luegt ärnscht. Nach em Ässe, wo si allei binenand sy, seit si zu ihrem Suhn: «Adrian, wo denkscht hin? — Es isch dei einziger Sohn, der einzig Bubeberg nach dir!»

«Han i wohl überleit, Muetter, aber äbe drum...»

«Und wo um des Himmelswille soll das Geld herkomme? Du weischt doch, wi’s steht!»

«Nume z’guet. Bi nid rycher worde dür di Pariser Fahrt und wirde wohl no mängs müesse dra tue, so lang i Schultheiß bi. Aber einewäg! I wott nid, daß er mir hie umenandere strycht und verwahrloset, wott’s o nid la druuf abcho, daß er sech i Chopf tuet, amene frömde Herr z’diene. Er ghört dem Land, der Stadt Bärn, wi syni Vätter. Öppis wärde mueß er. An e höchi Schuel söll er, i d’Niderland oder ga Bologna. Das wei mer de no usmache. Und de a ds Heilige Grab. Ritter mueß er sy!»

Es isch e stille Summer worde, und der Herr Adrian het sech mit sym Suhn abgä, sovil ihm ds Amt derzue Zyt gla het. Still isch es blibe bis i Ougschte, wo vom Rat der Bricht cho isch, d’Herzogin Yolantha sygi gstorben, und der Schultheiß müeß ga Chammerach yne, für dem dryzächejährige Herzog Philibert a d’Hand z’gah, damit ihm nid syni Ungglen und andere Verwandte d’Sach us de Finger winde.

Ah, jitz wär e Glägeheit für e jungen Adrian, hei di Froue z’Spiez dänkt. Aber der Vatter het erklärt: «Nüt isch’s! Es blybt bi däm, wo-n-i gseit ha.» Und wil sech underdesse no anderi jungi Bärner gfunde hei zu nere Fahrt a ds Heilige Grab, isch a mene näblige Herbschtmorge der Suhn abgritte, i ds Globte Land, und zwee Tag druuf der Vatter nach Savoye.

«Härgä, härgä!» het under Träne d’Frou Jeanne zu ihrer Schwigermuetter gseit. «Wenn isch es de gnue?» Und der Ritter het g’antwortet: «Das weiß niemer besser als e Muetter.»

Gseit het’s niemer lut’ aber wi’s gmeint isch, hei alli drü gwüßt: Wenn me nüt meh z’gä het!