Text:Jules Meininger/Die Simpelfransen.
Jüngst kam vom schönen Baltimore
Ein Mädchen an das Himmelsthor,
Ein Engel hatte grade Wacht,
Der nun die Thüre öffnet sacht.
Als er das Mädchen nun besah
Bemerkt er auf der Stirne da,
Wie die mit Haar war ganz bedeckt
Und gar die Augen fast versteckt.
Das war dem Engel gar zu neu,
Er macht ein fürchterlich Geschrei,
Drauf kam St. Petrus selbst daher,
Zu seh'n , was los da draußen wär'.
Als er die Ursach' nun entdeckt,
Wär' er beinahe selbst erschreckt,
Denn solch' ein Wesen sonderbar
Hatt' er durch achtzenhundert Jahr'
Noch nie erblickt am Himmelsthor,
Die Sache kam ihm seltsam vor.
Er sprach: „Mein Fräulein, sage mir,
Was hast Du für 'ne Mode hier?
Sprich, warum kämmst Du nicht das Haar
Wie's früher Brauch' auf Erden war?“
„Ich, lieber Herr,“ das Mädchen spricht,
„Ich trag' das Haar halb im Gesicht;
Denn Chiennes sind Mod' im ganzen Land,
Auch Simpelfransen wird's genannt.
Ich dachte halt, das wäre schön;
Hast Du denn das noch nie geseh'n?“
Da sprach St. Peter: „Auf der Erd'
Da geht wohl alles jetz verkehrt,
Denn früher traf solch' Mode man
Doch nur bei Pferd' und Hunden an.
Doch Menschen trugen ohne Scheu
Von solchen Zeug die Stirne frei.
Hier oben in des Himmels Höh'n
Will ich nicht solchen Unsinn seh'n;
Drum geh' nur fort, für Chiennes wird hier
Geöffnet nicht die Himmelsthür.“
Dann schrieb er auf ein Stück Papier,
Das klebt er an die Himmelsthür,
Drauf stand zu lesen klar und fein:
„Mit Chiennes darf keine hier herein!“
So bleibt für alle Ewigkeit
Der Himmel von den Chiennes befreit,
Drum, Mädchen, nehmt euch wohl in Acht,
Daß ihr euch himmelswürdig macht;
Schafft ab die Chiennes gleich auf der Stell',
Sonst kommt ihr alle in die Höll'.
Die Stirne, stets von Haaren rein,
Soll braver Mädchen Zierde sein!